Toni und Moni entdecken Tirol

Toni und Moni sind zwei Geschwister, die sich für die Tiroler Geschichte interessieren. In abenteuerlichen Erlebnissen entdecken sie Tirols Vergangenheit. In diesem Buch lernen sie zehn bedeutende Ereignisse und Persönlichkeiten aus Tirols früheren Tagen kennen. Hans Moser Toni und Moni entdecken Tirol

4 1. Auflage November 2023 Buchidee, Ausarbeitung und Herausgeber: Hans Moser Illustration: Karin Kleinlercher Selbstverlag - Tiroler Mundartbuch / hamoti © 2023 / Kramsach Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch die Tiroler Kulturförderung ÖKO Umweltfreundliches Papier

5 Inhaltsverzeichnis Ötzi / Der Mann aus dem Eis ...................................... 6 Völkerwanderung - Römer/Bajuwaren . .................... 22 Margarete Maultasch ................................................ 36 Kaiser Maximilian ...................................................... 50 Bauernaufstand / Michael Gaismair ......................... 68 Bergbau ..................................................................... 82 Kanzler Biener ........................................................... 96 Kaiserin Maria Theresia / Schulpflicht ..................... 108 Andreas Hofer / Freiheitskampf .............................. 122 Schwabenkinder ...................................................... 144 Zeittafel ................................................................... 156

6 Ötzi / Der Mann aus dem Eis Ötzi Der Mann aus dem Eis #01 3250 v. Chr.

7 Ötzi / Der Mann aus dem Eis „Onkel Otto, Onkel Otto! Du bist doch bei der Bergerettung – oder? Hast du auch schon einmal einen Ötzi am Berg gefunden?“, fragt Toni seinen Onkel, als sie wieder einmal bei ihm zu Besuch sind. „Wie? Einen Ötzi? Du meinst so einen Mann, wie man ihn im Eis entdeckt hat?“, wundert sich der Onkel. „Ja, der Ötzi mit dem schrägen Arm, kennst du den? Der war heute im Fernsehen. Kannst du uns etwas über ihn erzählen, du weißt doch immer so interessante Berggeschichten?“, bittet nun auch Moni den Onkel Otto. „Ich kann euch schon etwas über ihn sagen, ja. Gerade vor einem Monat habe ich sogar ein Buch über ihn gelesen. Ich kann mich gut erinnern, als man ihn gefunden hat. Es war ein Donnerstag, ich weiß es noch genau. Ich denke auch noch manchmal an den Bericht in ´Tirol heute´. Zu diesem Zeitpunkt wusste man ja noch nicht, dass der Fund so sensationell war.

8 Man meinte zuerst, dass es sich um einen einfachen Bergsteiger handelt, der dort oben ums Leben gekommen ist. Deshalb wurde bei der Bergung auch recht unvorsichtig vorgegangen. Der Polizist, der am Entdeckungstag den Ötzi aus dem Eis heraus hauen wollte, verletzte ihn dabei mit einem Pickel an der Hüfte. Man ließ ihn noch vier Tage liegen und nach dem Wochenende haben ihn dann am Montag, den 23.09.1991 Alpinpolizisten vom Berg geholt. Sie verpackten ihn dazu in einen Plastiksack, das ist so üblich bei Leichen. Auch die Sachen, die neben dem Ötzi lagen, haben sie in den Sack gegeben. Da der gefundene Bogen, also ich meine den Pfeilbogen, den Ötzi mitgehabt hat, zu groß für den Sack war, wurde er einfach abgebrochen. So hat man alles zusammen in das Tal gebracht. Weil sein weggestreckter linker Arm, du hast gesagt ´schräger´ Arm, dann im Sarg nicht Platz hatte, wurde er vom Bestatter gebrochen.“ Ötzi / Der Mann aus dem Eis

9 „Was? Der Bestarter bricht ihm den Arm, darf er das?“, fragt Toni ganz verwundert. „Es heißt Bestatter und nicht Bestarter. Das ist ein Beruf. Das sind die Leute, die beim Bestattungsinstitut arbeiten. Die helfen dir, wenn jemand aus deiner Familie stirbt. Bestatten heiß so viel wie begraben oder beerdigen“, antwortet der Onkel Otto. „Und ein Bestatter darf natürlich nicht den Arm brechen. Später hat man über diese Pannen nur den Kopf schütteln können. Aber man muss die beteiligten Leute schon auch verstehen, man wusste ja wirklich nicht, dass der

10 Kaiser Maximilian 50 Kaiser Maximilian #04 1459 - 1519

51 Kaiser Maximilian „Mama?! Fahren wir auch einmal zur Burg nach Kufstein?“, fragt Toni eines Morgens seine Mutter. „Können wir schon machen. Aber warum kommst du jetzt auf die Idee?“, antwortet die Mama. „Mein Freund Tommi war gestern dort. Und er hat gesagt, das ist bärig. Dort sind auch zwei Kanonien, die heißen ´Purpelmaus´ und ´Speckdrauf´.“ „Du meinst Kanonen? Und die heißen auch anders, nämlich ´Purlepaus´ und ´Weckauf´“, die Mutter findet die Wortverwechslungen von Toni wieder einmal sehr lustig. „Kaiser Maximilian hat diese zwei Kanonen verwendet, als er 1504 die Festung erobert hat.“ „Ein Kaiser war in Kufstein? Wer war das, und was wollte er dort?“, auch Moni wundert das jetzt. „Wenn euch das interessiert, kann ich meine Freundin Franziska fragen. Die ist Fremdenführerin und die macht auch Führungen auf der Festung in Kufstein. Vielleicht kann sie einmal mit uns dort hinfahren. Wollt ihr das?“, schlägt die Mutter vor.

1252 Kaiser Maximilian Toni und Moni finden diese Idee großartig und deshalb macht die Mutter einen Termin mit ihrer Freundin Franziska aus. Schon am nächsten Tag fahren Toni und Moni mit ihrer Mama und der Fremdenführer-Freundin Franziska mit dem Zug nach Kufstein. Bereits auf der Fahrt erzählt Franziska ein paar Sachen über Maximilian: „Dieser Kaiser Maximilian war ein Sohn des römischdeutschen Kaisers und wurde 1459 in der Nähe von Wien geboren. Er erlebte bereits als Kind sehr viel. Als er drei Jahre alt war, wurde die Hofburg in Wien, wo sie lebten, lange vom unzufriedenen Volk belagert und die Kaiserfamilie war eingeschlossen. Sie hatten wenig zu essen und große Angst. Das hat der junge Maximilian natürlich mitbekommen. Seine Mutter starb sehr früh, da war Maximilian erst acht Jahre alt. Auch vier seiner insgesamt fünf Geschwister mussten bereits sehr, sehr jung sterben. Es

53 blieben nur seine jüngere Schwester und Maximilian als Kinder über. So war es klar, dass er das Erbe seines Vaters übernehmen musste und Kaiser werden sollte. Vorher, da war er 31 Jahre alt, wurde er aber zum Regenten von Tirol und den umgebenden Ländern. Bereits in diesen Jahren verliebte er sich in Tirol und er verbrachte viel Zeit in unserem Land. Auch als sein Vater 1493 starb und Maximilian zum König wurde, sollte sich das nicht ändern. Maximilian mochte Tirol sehr. Deshalb hat er auch viel für das Land getan. Unter seiner Regentschaft wurde die Innsbrucker Residenz ausgebaut. Er renovierte die Burgen im Land und ließ die Bergwerke aufleben. Er ließ Waffen für Kriege bauen und gründete damit eine große Rüstungsindustrie.“

1454 Kaiser Maximilian „Was ist das, eine Rüstungsindustrie?“, unterbricht Moni die Fremdenführerin. „Gut, dass du fragst, Moni! Ihr könnt mich jederzeit unterbrechen und Fragen stellen, wenn ihr etwas nicht versteht. Rüstungsindustrie bedeutet, dass viele Leute und Arbeiter Waffen für den Krieg entwickelt und gebaut haben. Jetzt habe ich aber eine Frage an euch: Kennt ihr das Goldene Dachl in Innsbruck?“ „Ja, das ist das Haus in der alten Stadt, wo die Schindeln so glänzen. Da waren wir schon einmal“, erinnert sich Toni. „Du meinst Altstadt, aber völlig richtig, Toni. Gebaut wurde dieses Goldene Dachl schon vorher, aber unter Maximilian wurde der schöne Erker mit den goldenen Schindeln errichtet. Kennt ihr auch das Zeughaus? Heute ist es ein Museum, aber auch das wurde unter Maximilian als Waffenlager erbaut. Bis zu 150 Kanonen und Geschütze wurden

15 Kaiser Maximilian dort aufbewahrt. Auch die Hofburg in Innsbruck ließ er mächtig ausbauen. Aber ich rede immer nur von Tirol. Maximilian war ja selbstverständlich Kaiser von ganz Österreich. Obwohl Österreich stimmt natürlich auch nicht. Ganz richtig heißt es, er war römisch-deutscher Kaiser.

16 Bauernaufstand / Michael Gaismair 68 Bauernaufstand / Michael Gaismair #05 1490 - 1532

Toni und Moni spazieren heute mit Tante Traudi durch Innsbruck. Sie machen ein paar Erledigungen. Moni bekommt eine neue Hose und ein T-Shirt. Toni braucht zwei Hefte für die Schule und er will unbedingt Turnschuhe, die bunt leuchten, wenn er damit geht. Als sie alles eingekauft haben, fällt der Tante ein, dass sie in dem großen Weingeschäft noch etwas für eine Freundin abho- lenen soll. Leider hat sie keine Ahnung mehr, wie das Geschäft heißt.

1870 Bauernaufstand / Michael Gaismair „Ich weiß nur noch, dass es in einer Seitengasse zur Michael-Gaismair-Straße ist“. Darum gibt sie das in ihr Handy ein und spricht laut dazu: „M-I-C-H-A-E-L G-A-IS-M-A-I-R.“ „Warum haben die Straßen hier so komische Namen?“, fragt sich Moni. „Ja, Michael Geissenpeter ist echt lustig“, findet auch Toni. „Das sind alles Namen von Menschen, die früher gelebt haben. Irgendetwas Besonderes müssen sie gemacht haben. Sonst wäre nicht eine Straße nach ihnen benannt worden.“ „Und was hat dann der Michael Geissenpeter-Maier erfunden?“, wundert sich Toni. „Ich weiß es auch nicht. Aber den Namen habe ich schon einmal gehört. Aha, jetzt habe ich es, Dr. Google weiß wie immer Rat. Hier am Handy steht, Michael Gaismair, 1490 bis 1532, war ein Tiroler Anführer zur Zeit des Bauernaufstandes. Wisst ihr was Kinder, das interessiert mich jetzt. Wir

71 kaufen uns hier im Brotgeschäft eine Jause und dann machen wir Geschichte-Unterricht. Mal sehen was es mit diesem Michael Gaismair auf sich hat, wenn schon diese Straße seinen Namen trägt. Also, hier steht, dass der Vater von dem Gaismair ein wohlhabender Bauer und Bergbauunternehmer war. Deshalb durfte Michael auch zur Schule gehen und er bekam eine gute Ausbildung. Das war für die Kinder in dieser Zeit sehr selten, nur sehr wenige konnten lesen oder schreiben. Deshalb hat er dann auch gleich eine Arbeit bei der Bergbauverwaltung bekommen. Er muss ein ganz ein vifer Bursche gewesen sein, denn sehr bald arbeitete er für den Landeshauptmann und dann für den

20 Kanzler Biener 1590 - 1651 96 Kanzler Biener #07

Kanzler Biener 97 Moni macht heute mit ihrer Schulklasse und ihrem Lehrer, Herrn Obermoser, einen Ausflug. Sie fahren mit dem Zug nach Rattenberg und schauen sich die Stadt an. Es ist die kleinste Stadt Österreichs. Dann gehen sie auf den Schlossberg, wo man noch Reste der früheren Burg sehen kann. Der Lehrer erzählt von der früheren Zeit und welche Bedeutung die Burg und die Stadt hatten. Dann gehen sie zu einer Gedenktafel, wo folgendes zu lesen ist: Wilhelm Biener – Kanzler von Tirol – fiel hier …. durch Henkershand. „Was ist ein Kanzler und eine Henkershand, was bedeutet diese Tafel?“, fragt einer der Schüler den Lehrer. „Kanzler ist so etwas wie heute der Landeshauptmann. Das ist der Mensch, der das Land regiert. Ich wollte euch von diesem Kanzler Biener sowieso noch mehr erzählen, weil der eine ganz interessante Geschichte hat“, antwortet der Lehrer.

2298 Kanzler Biener „Aber warum erinnert man sich hier genau an den, es hat doch sicher viele Kanzler gegeben – oder?“, will Moni dann leicht neugierig wissen. „Weißt du, man hat diesen Kanzler Biener ganz gerne gemocht, weil er nett zu den Leuten war und vieles bewirkt hat. Eigentlich war er ja aus Deutschland, wo er auch studiert hatte. Nach einigen beruflichen Stationen, dort in seiner Heimat, folgte eine Berufung in den Reichshofrat. Schließlich wurde er dann unter der Erzherzogin Claudia de´ Medici im Jahre 1638 zum Hofkanzler von Tirol ernannt. Er hat sich im Innsbrucker Ortsteil Hötting das Schloss Büchsenhausen gekauft und dort auch gewohnt und geherrscht.“ „Aber das ist ja nichts Besonderes, war das alles? Allein von dem wird man nicht berühmt – oder?“, lässt Moni nicht locker.

„Jetzt warte einmal, es wird schon noch spannender und interessanter! Dieser Kanzler Biener modernisierte in Tirol die Verwaltung. Er reduzierte das Personal unter den Beamten und konnte damit eine Menge Geld einsparen. Das hat den Leuten natürlich getaugt. Er war auf der Seite des Volkes. Er konnte gut mit Menschen reden, angefangen von den Bauern bis zu den Herrschern.

24 Maria Theresia / Schulpflicht 108 Kaiserin Maria Theresia #08 1717 - 1780 / Schulpflicht

Maria Theresia / Schulpflicht 109 „Hast du deine Hausaufgabe heute schon gemacht?“, will Moni von Toni wissen. „Wir haben heute nichts aufbekommen, unser Lehrer ist krank – ellapätsch!“, freut sich Toni. „Mir ist das egal, ich gehe gerne in die Schule. Mir taugt das, wenn ich etwas lernen kann“. „Waaaaas? Du gehst da gerne hin? Aber die ist doch volle langweilig. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wer diese Schule erfunden hat“, Toni ist ganz verwundert. „Wer sie erfunden hat, kann ich dir nicht sagen. Aber ich weiß, seit wann man in Österreich zur Schule gehen darf. Es war Kaiserin Maria Theresia, die hat 1774 die allgemeine Schulpflicht für alle Kinder eingeführt“, mischt sich der Vater in das Gespräch ein. „Super, danke, liebe Kaiserin! Und was hat diese Theresia noch erfunden? Sicher auch Zahnweh und die Zecken. Alles Sachen, die niemand braucht. Ich werde Fußballer, ich brauche keine Schule“, ist sich Toni sicher.

26110 Maria Theresia / Schulpflicht „Da irrst du dich. Die Kaiserin war eine ganz interessante Frau. Sie hat viele Neuerungen eingeführt und sie war Mutter von 16 Kindern. Und Toni, JEDER braucht die Schule. Auch als Fußballer musst du lesen, schreiben und rechnen können!“, versucht der Vater Toni zu überzeugen. „Eine Mutter von 16 Kindern ist Kaiserin, wie geht das?“, wie immer ist Moni neugierig und will mehr über diese Frau erfahren. „Ganz viel weiß ich leider nicht über die Kaiserin. Aber sie hat auch bei uns in Tirol Spuren hinterlassen, von denen kann ich erzählen“, beginnt der Vater mit einer kurzen Geschichte. „Kaiserin Maria Theresia wollte alle ihre Kinder gut verheiraten. Für ihren Sohn Leopold wurde deshalb eine große Hochzeit in Innsbruck organisiert. Er heiratete eine spanische Infantin, so sagt man in Spanien zu einer Prinzessin.

Innsbruck wurde deshalb auf Hochglanz herausgeputzt, das Fest sollte einige Wochen dauern. Doch kurz nach der Trauung starb leider ganz plötzlich und unerwartet der Kaiser, also der Mann von Maria Theresia, nach einem Theaterbesuch. Das hat die Kaiserin hart getroffen und sie war sehr, sehr traurig. Ab diesem Zeitpunkt trug sie nur noch schwarze Witwen-Kleider.“ „Moa, die Kaiserin tut mir leid. Und auch die 16 Kinder, die hatten ja plötzlich keinen Vater mehr“, Moni macht das bedrückt.

28112 Maria Theresia / Schulpflicht „Ist die Kaiserin in Innsbruck geblieben, oder was hat sie dann getan?“ „Sie ging wieder zurück nach Wien, aber in Innsbruck ließ sie noch einiges machen. Ihr kennt die Triumphpforte, an der sind wir schon manchmal vorbeigefahren! Die wurde dazumal, also im Jahre 1765, zum Andenken an die Hochzeit gebaut. Sie sollte die Erinnerung an ein freudiges Fest sein. Maria Theresia ließ sie allerdings umgestalten. Wenn ihr genau hinseht, fällt euch deshalb auf, dass oben eine Seite die Freude der Hochzeit darstellen soll. Auf der anderen Seite wird aber dem Tod des Kaisers gedacht. Die Triumphpforte hat also zwei Themen. Direkt bei der Triumphpforte beginnt die Maria-Theresien-Straße. Das ist eine sehr bedeutende Straße in Innsbruck und geht bis zur Altstadt, wo in der Verlängerung das Goldene Dachl steht. Auch da waren wir schon öfters. Es ist die Prachtstraße von Innsbruck, nicht um-

113 sonst trägt sie den Namen der Kaiserin. Die Annasäule ist ebenfalls dort.“ „Ich möchte auch eine Straße mit meinen Namen, die TONI-Straße“, denkt sich Toni. Der Vater erzählt aber einstweilen weiter: „Die Innsbrucker Hofburg hat ihren Ursprung bereits früher, aber es war Maria Theresia, die sie so umbauen ließ, wie sie heute dasteht. Das Zimmer, in dem ihr Mann, der Kaiser starb, wurde zum Gedenken in eine Kapelle umgebaut. Insgesamt hat die Hofburg 400 Räume. Den Riesensaal, das ist der große Festsaal, gestaltete sie zu einem Familien-

30 Andreas Hofer / Freiheitskampf 122 Andreas Hofer #09 1767 - 1810 / Tiroler Freiheitskampf

Andreas Hofer / Freiheitskampf 123 „Was ist eigentlich ein Herd?“, will Toni eines Abends wissen. „Ein Herd ist ein Ofen. Ein Küchenherd zum Beispiel, auf dem man kochen kann“, antwortet die Mutter. „Und was ist dann ein Landesherd?“ „Was? Ein Landesherd, was soll das sein?“, ist auch die Mutter ein wenig ratlos. „Der Tommi ist ja jetzt bei den Jungschützen. Er erzählt dann manchmal von einem Andreas Hofer, weil der sein Landesherd ist“. Da muss die Mutter richtig laut lachen. „Nein Toni, nicht Landesherd. Er meint Landesheld! Andreas Hofer war ein Landesheld. Ein Held ist jemand, der eine besondere Leistung vollbringt, also wenn jemand besonders tapfer oder besonders mutig ist. Wenn sich jemand für andere Menschen einsetzt und ihnen hilft. Manchmal haben Helden auch besondere Fähigkeiten oder sie kämpfen für etwas.“ „Und wer ist dann dieser Landesheld Andreas Hofer?“.

32 124 Andreas Hofer / Freiheitskampf „Bei uns in Tirol wird dieser Andreas Hofer oft noch sehr verehrt, weil er ein Freiheitskämpfer war. Er hat sich dafür eingesetzt, dass die bayerischen und die französischen Besatzer unser Land in Ruhe lassen. Aber das kann man nicht in ein, zwei Sätzen erzählen. Putz dir die Zähne und dann sage ich dir, bevor du ins Bett gehst, noch ein paar Sachen über diesen Mann.“ Gesagt, getan beginnt die Mutter gleich darauf zu erzählen: „Damals waren ja Südtirol und Tirol noch eine Grafschaft. Und in Südtirol, genauer gesagt im Passeiertal in St. Leonhard, wurde Andreas Hofer am 22. November 1767 am Sandhof – so hieß sein Elternhof – geboren. Seine Mutter Maria starb leider sehr früh, als Andreas noch ein ganz kleines Kind mit drei Jahren war. Sein Vater Josef suchte sich eine neue Frau, starb aber nur vier Jahre später, da war Andreas sieben. Also waren dann beide Eltern tot und er wuchs mit seinen Schwestern bei der Stiefmutter auf, die auch den

125 Sandhof führte. Sie behandelte ihn aber nicht gut, er hatte daher keine schöne Kindheit. Zur Schule ging er ungern, er war auch kein guter Schüler. Ja, dazumal musste man bereits zur Schule gehen. Genau als Andreas Hofer ein Kind war, wurde nämlich im Jahre 1774 in Österreich die Schulpflicht eingeführt. So lernte Andreas Hofer ein wenig Rechnen und Schreiben. Trotzdem verfasste er auch später noch Nachrichten an seine Mitstreiter immer im Südtiroler Dialekt. Er schrieb alles so wie er es aussprach und verwendete keine Satzzeichen. Er konnte es einfach nicht besser.

34 Schwabenkinder 144 Schwabenkinder #10 1500 - 1921

Schwabenkinder 145 „Duuuu-uuu Opa Wastl, was sind Schwalbenkinder“, fragt Toni seinen Opa, als sie ihn wieder einmal besuchen. „Wie kommst du jetzt da drauf?“, wundert sich der Opa. „Unser Lehrer, der Herr Obermoser, hat gestern gesagt, wir sollen froh sein, dass es uns so gut geht. Nicht so wie den Schwalbenkindern früher.“ „Da hat er schon recht! Aber er hätte euch auch erzählen sollen, was diese Kinder erlebt haben. Und übrigens, das waren ´Schwabenkinder´ und nicht Schwalbenkinder.“ „Kannst du uns sagen, warum die Kinder so heißen?“, auch Moni will das jetzt gerne wissen. „Ja, das mache ich gerne. Aber es ist keine ganz so nette Geschichte. Sie ist eigentlich sehr traurig. Aber das Leben früher war eben schwerer als heute. Und das hat euer Lehrer sicher damit gemeint. Setzt euch an den Küchentisch. Wir machen uns einen Kakao und dann er-

36 146 Schwabenkinder zähle ich euch von den Schwabenkindern.“ Gesagt, getan macht der Opa Milch warm und dann beginnt er zu erzählen: „Früher waren die meisten Häuser in Tirol Bauernhöfe. Man lebte hauptsächlich von den Dingen, die man selbst geerntet hatte. Man hatte ein paar Tiere, vor allem Kühe, Hühner und Schweine, und die lieferten Milch, Eier und Fleisch. Davon ernährte man sich. Auf den meisten Höfen lebten viele Menschen, man war eine richtige Großfamilie. Ganz oft hatten die Bauersleute sehr viele Kinder. Und viele heißt wirklich viele, ich meine damit fünf bis zehn Kinder, oder auch mehr. Das war normal so. Und da viele Bauernhöfe nicht sehr groß waren, wurde es manchmal knapp mit dem Essen. Man hatte nicht genug für alle, man war einfach arm. So um das Jahr 1500 begann man deshalb, ein oder zwei Kinder aus der Familie über den Sommer an ei-

nen reichen Bauern zu verleihen. Die Kinder mussten bei diesem fremden Bauern mithelfen und arbeiten, bekamen aber dafür etwas zu essen und meistens auch etwas zum Anziehen. Könnt ihr euch vorstellen, dass ihr irgendwo hingehen müsst und dort arbeitet? Das ist nicht so lustig – oder?“ „Nein, ich mag das nicht. Ich mag überhaupt nicht so gerne arbeiten. Ich spiele lieber Fußball“, ist sich Toni sicher.

38 148 Schwabenkinder Deshalb erzählt der Opa weiter: „Viele dieser reichen Bauern waren in Schwaben zu Hause. Schwaben, das ist eine Region in Deutschland. Die Kinder mussten jedes Jahr zu Fuß dort hingehen. Das war eine sehr, sehr lange Strecke und es brauchte vier bis fünf, oft auch sechs Tage, bis man dort war. Der Weg war beschwerlich, weil das am Ende des Winters war, und oft noch Schnee lag. Es war kalt und die Kinder hatten meistens kein gutes Gewand und schlechte, kaputte Schuhe. Damit mussten sie über die Berge, ihr könnt euch denken, wie anstrengend und auch gefährlich das war. Es gab immer wieder Kinder, die aus Erschöpfung zusammenbrachen. Im schlimmsten Fall mussten Kinder auf dem Weg sogar sterben.“ „Das würde ich mich nie trauen, allein von zu Hause weg zu gehen. Ich habe Angst vor dem!“, sagt Moni und hat dabei Tränen in den Augen. „Ja, das war echt traurig. Aber Gott sei Dank gibt es das

39 Schwabenkinder 149 ja nicht mehr. Die Kinder mussten auch nicht alleine gehen. Es waren schon immer ganze Gruppen bis zu 30 Kindern. Es waren auch ein, zwei Erwachsene – meistens ein Hilfspriester – zum Aufpassen dabei. Die schauten auch darauf, dass man in irgendeiner Behausung oder einer Scheune, vielleicht auch auf einem Heustock schlafen durfte. Somit mussten die Kinder auf dem Weg nicht im Freien übernachten. Es gab auch Stationen, wo man vielleicht etwas zu Essen bekam, eine Suppe oder ein Brot.

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Illustratorin Karin Kleinlercher Karin Kleinlercher lebt mit ihrer Familie in St. Veit in Defereggental in Osttirol. Schon von klein auf liebt sie es zu zeichnen. Ob mit Bleistift, Aquarell oder Acryl, Karin mag es, immer etwas Neues auszuprobieren. Somit wagte sie 2022 den Schritt in die digitale Welt der Malerei und investierte in eine neue Ausrüstung. Dies war gleichzeitig der Start für die nebenberuflich gewerbliche Ausübung ihres größten Hobbys.

Aus der „Toni und Moni“ - Reihe bereits erschienen: Toni und Moni entdecken Tirol 14 Tiroler Bräuche für Kinder erklärt In diesem Buch lernen Toni und Moni 14 Bräuche aus dem Tiroler Leben kennen. Erstausgabe 2021

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